Seni özleyorum. Her zaman, her yerde.

CN Tod, Krebs, Fehlgeburt

Dieses Jahr war das Jahr der Abschiede:

Im Frühjahr ging meine Taufpatin. Sie war an die 90 und herzkrank, also nicht gerade unerwartet. Aber trotzdem ein herber Schlag, vor allem, weil ich sie durch Corona länger nicht mehr sehen konnte und durch meine psychischen Probleme länger nicht mehr telefoniert habe. Ich schrieb ihr immerhin noch einen langen Brief mit einer Erklärung und vielen Entschuldigungen, unser Telefonat danach war liebe- und verständnisvoll. Trotzdem bleibt da eine Lücke, ein Vorwurf, eine Scham.

Dann ging ein guter Freund. Er hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Wir haben uns nicht oft gesehen, aber er hatte die seltene Gabe, einen immer willkommen zu heißen, immer zu umarmen und in dem Moment fühlte man sich gesehen. Jeder im Raum, es gab keine Eifersüchteleien, sondern er kreierte diese wunderbare Atmosphäre der Gastfreundschaft und der Toleranz. Sein großes Herz, seine Liebe zur Musik, seine Stimme, sein verschmitztes Lachen werden fehlen.

Und dann kam der heftigste Schlag von allen. Du. Eine der großen Lieben meines Lebens, 12 Jahre an meiner Seite, mein Ex-Mann. Mit dem mich so unendlich viel verband. Wir hatten beide eine absolut gleiche Vorstellung von der Politik, der Gerechtigkeit, der Liebe zwischen den Menschen, der Toleranz, dem Glaube an Den Einen. Wir wollten beide diese Welt ein bisschen besser machen, ein bisschen mehr Farbe, mehr Verrücktheit hineinbringen. Aber uns verband noch so viel mehr: Viele Verluste, eine schwere Kindheit, unsere Liebe und unsere Verbundenheit, unser Lachen, unsere vielen Reisen, eine Fehlgeburt, viele Tränen, viel Trauer.

Du warst älter als ich, kamst aus einem anderen Land und hast so viel Schreckliches sehen und erleben müssen. Du hast so vieles mitansehen müssen, hast den Todesengel in seinen unzähligen Facetten viele Male ins Gesicht geblickt. Davon sind Narben geblieben, körperliche und seelische. Ein unbändiger Wille zu leben und zu genießen, aber auch eine Art, den Tod zu suchen und ihn doch zu hassen. Bevor wir uns kannten, warst Du leichtsinnig, riskant. Als Du mal zu mir sagtest, dass ich die erste Frau bin, mit der Du leben möchtest und wegen der Du selber ruhiger geworden bist, da war ich unendlich gerührt. Du warst der erste Mann, mit dem ich lange zusammen war, der erste Mann, den ich heiraten und mit dem ich eine Familie gründen wollte. Schon unser erstes Treffen war absolut hinreißend Gaga und ständiges Gesprächsthema im Freundeskreis. Wir machten so viel Unsinn miteinander, wir lachten so viel, wir konnten uns so öffnen füreinander. Ich machte Dir damals den Heiratsantrag und war mir so sicher, dass wir ewig zusammen bleiben.

Nur ein Thema gab es, damit konntest Du nicht umgehen, nicht nach allem, was Du gehen lassen musstest: Verlust und Tod. Ich war da anders. Das wäre auch nicht das Problem gewesen, aber wir konnten darüber miteinander nicht reden. Meine Fehlgeburt und der Tod meiner Mutter trieb einen Riss in unsere Beziehung, den wir letztendlich nicht mehr verstecken konnten. Ich betrog Dich, ich betrog Dein Vertrauen und brach Dir damit erneut und zum letzten Mal endgültig das Herz. Du tobtest, schlugst um Dich… es dauerte, bis wir beide wieder miteinander umgehen konnten, bis wir uns wieder auf einer ganz anderen Ebene fanden. Wir konnten selbst das Thema dann klären, ich konnte mich entschuldigen und Du Dich sogar auch. Wir fanden zueinander, wurden enge Freunde, besprachen sogar unsere Dates, übernachteten beieinander, ohne das irgendeine Art von Spannung zwischen uns stand. Bis Du meine Entdeckung, dass ich poly bin und das auch leben wollte, nicht ertragen konntest und den Kontakt wieder abbrachst.

Fast ein Jahr lang Funkstille und dann wieder ein Treffen, auf neutralem Boden. Wir sahen uns wortlos in die Augen und umarmten uns, es war …. schön, innig, intensiv. Unser Kontakt entstand wieder, wurde tiefer.

Und dann kam auch bei Dir die Diagnose Krebs. Du hast gekämpft, wie ein Löwe. Nie war ich so stolz auf Dich wie in diesen Monaten, Du hast den Stier bei den Hörnern gepackt und bist mit aller Kraft auf den Feind in Dir losgegangen. Wir haben uns sogar noch einmal gesehen, mit Maske, ohne Umarmung, aber es war ein wunderschöner Abend. Du hast so viel geschafft, hast Dich von so vielen Ängsten und Verstrickungen lösen können – was man alles schaffen kann, wenn das Leben auf einmal begrenzt ist. Meine Seelenschwester – die ich durch Dich erst kennengelernt habe – und ich waren Deine Stützen, neben Deinen Kindern und Deinen Enkeln.

Und dann kam das Unfassbare. Ich hatte immer die Vorahnung, die Befürchtung, dass Du nicht alt werden wirst. Der Krebs hat Dich nicht klein bekommen, aber die Nebenwirkungen der Behandlungen. Man konnte Dich nicht besuchen, Dein Immunsystem war nicht mehr vorhanden. Und immer noch, immer wieder hast Du gekämpft, hast Dich an den kleinen Dingen des Lebens gefreut. Aber man merkte stark, dass immer weniger von Dir da war.

Eines Wochenendes rief mich die Seelenschwester an. Du warst mal wieder in einem Krankenhaus und sie meinte, dass sie weiß, wo Du bist. Sie fährt da jetzt hin (4 Stunden einfache Fahrt), um sich davor zu setzen, für Dich zu beten, Dir Fotos und Videos davon zu schicken. Ob ich mit möchte. Ich zögerte nicht lange, fuhr selber fast 1,5 Stunden, traf sie endlich mal wieder und wir hielten uns, machten die Fotos und das Video, sprachen Dir Mut zu und sagten das, was wir Dir immer wieder sagten „Wir sind bei Dir, immer. Wir lieben Dich, wir vermissen Dich. Und wir sind da. Möge Allah Dir Kraft geben.“ Wir saßen fast 4 Stunden, wir lachten, weinten, beteten, umarmten uns und hielten uns, um Dir Mut zu geben. Wir spürten wie immer die Verbundenheit mit Dir und wussten, dass das ein Abschied ist.

Nicht lange danach bist Du tatsächlich gegangen. Aber Du hast diese Fotos und das Video bekommen, Du hast Dich unglaublich gefreut darüber. Dass wir da sind, dass wir solche Spinner sind, die so etwas für Dich tun.

Ich wünschte, ich hätte viel mehr für Dich tun können. Wo auch immer Du bist, dostum benim, aslanim benim…. mögest Du Friede finden. Mögest Du in Liebe und Licht des Einen gebadet sein, mögest Du einen Platz an Seiner Seite haben und Ruhe gefunden haben.

Und tue mir einen letzten Gefallen, ja? Sag meiner Mami, dass ich sie liebe.

Bis bald, inshAllah.

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