An unholy quest oder wie ich loszog, therapeutische Hilfe zu finden

Vorab: Ich spreche in diesem Blogartikel über meine ganz eigenen Erfahrungen, ich erteile damit selbstverständlich keine therapeutischen Ratschläge. Diese Erlebnisse sind länger her und inzwischen kann ich darüber lachen. Und ich gendere in dem Artikel auch nicht, ich war bei Frauen und Männern in Therapie.

Wenn Du Dir Hilfe suchen möchtest, dann tue das. Verlasse Dich auf Dein Bauchgefühl und denke daran, dass Du die ersten (5?) Stunden austesten darfst, d.h. Du kannst ohne Angaben von Gründen wieder wechseln.

Es begab sich aber zu der Zeit, dass Dilara erkannte, das sie sich helfen lassen wollte… okay, das nimmt mir eh keiner ab. Also: Ich war Anfang 20, als meine Mutter in Therapie bei einer sehr sympathischen Therapeutin war. Sie erzählte ihr natürlich auch diverse Dinge von mir und besagte Therapeutin schlug vor, dass ich gerne auch mal für eine Stunde vorbeikommen kann. Gesagt, getan – wir waren uns sympathisch, ich konnte mich bei ihr öffnen und sie riet mir, das weiter zu machen. Allerdings war sie für eine regelmäßige Therapie zu weit weg, sie gab mir die Kontaktdaten einer Freundin in der großen Stadt, in der ich wohnte. Zu der Zeit ging es bei mir hauptsächlich um das Verhältnis zu meinem Vater, das schon immer schwierig war. Er ist ein Mensch, der durch seine Kindheit bei Eltern, die schwer traumatisiert waren, selber traumatisierte wurde – wie die meisten Flüchtlingskinder. Ich tat mir sehr schwer mit ihm, er war mal offen und lebenslustig, mal abweisend und zynisch, mal gar nicht mehr da.. das war als Kind unerträglich und wurde als Erwachsene leider auch nicht viel besser. Ich erzählte also der zweiten Therapeutin davon. Sie lies mich einige Stunden reden, schlug mir einerseits dann sofort ein Antidepressiva vor und meinte andererseits „Ich verstehe aber nicht, was Sie mit ihrem Vater haben. Meine Familie meldet sich oft und lange nicht bei mir.“ Äh…. ja, okay. Schön für das… Verständnis und die Hilfe. Ich brach das Experiment an der Stelle ab und suchte mir niemand neues mehr.

Spulen wir ein paar Jahre vor: Ich war schon mit meinem Ex-Mann zusammen (damals noch nicht verheiratet) und merkte immer mehr, das mein Essverhalten seltsam war. Es dauerte länger, bis ich bei einer sozialen Stelle (ich weiß nicht mehr, wie das damals hieß, ehrlich gesagt) einen Termin und eine Liste mit Therapeuten bekam, die sich darauf spezialisiert hatten. Die Termine selber dauerten auch wieder länger – im Vergleich zu heute allerdings relativ kurz. Ich war 2-3x bei einer Therapeutin daheim. Die ersten Male war sie ziemlich müde (ok, kann ja jedem mal passieren). Bei der letzten Sitzung schlief sie ein. Ich ging auch dort nicht mehr hin und bekam es einigermaßen selber in den Griff.

Nochmal ein paar Jahre später: Ich war mit meinem Ex-Mann in Australien gewesen, zur Zeit der Spinnen-Wanderungen. Eine wunderbare Zeit für eine Spinnen-Phobikerin. Danach beschloss ich, das ich keine Lust mehr darauf habe, jede Toilette wie ein FBI-Agent bei einem Attentat zu betreten und suchte mir eine Verhaltenstherapeutin. Ich fand jemand, kaum älter als ich und in der Ausbildung. Die Chemie passte von Anfang an und wir begannen, miteinander zu arbeiten. Die Spinnen-Phobie war bald vorbei (und ist es heute noch – ich mag die Biester immer noch nicht, aber ich kann sie aus der Wohnung tragen), meine Höhenangst haben wir auch gleich mit dran genommen. Nach meiner Fehlgeburt, der Krebs-Diagnose und dem schnellen Tod meiner Mami war sie mir ebenfalls eine große Hilfe. Während der Trennung von meinem Ex-Mann war sie in Mutterschutz, also gingen wir zu einer Kollegin. Er beschimpfte mich die ganze Zeit, warf mir alles Mögliche vor – und sie ließ ihn gewähren, schickte ihn nur einmal hinaus, damit er sich beruhigen kann. Und meinte dann zu mir, dass er offenkundig sehr verletzt ist. Ach…? Als das Gleiche sich bei der nächsten Sitzung (andere Kollegin) wiederholte, ging ich einfach und ließ die beiden mit offenem Mund sitzen.

Danach kam die Trennung, ich war auf einer Schaf-Alm – und hatte dann leider die dumme Idee, mit meinem Psycho-Ex zusammen zu ziehen und schwanger zu werden. Meine Therapeutin war wieder da und ich ging zu ihr, es klappte sehr gut. Bis ich wieder eine Fehlgeburt hatte und selbst sie mir nicht mehr helfen konnte. Aber sie vermittelte mir den Kontakt zu einer Klinik, dort war ich dann eine gewisse Zeit und ging danach wieder zu ihr. Sie begleitete meinen Auszug, meine zwei Jobs, die nichts wurden – bis ich dann 2020 in die Sperre der Krankenkasse kam. Therapie darf man nämlich nur eine gewisse Zeit machen, danach hat man gefälligst geheilt zu sein! Jawoll. Nur klappte das bei mir nicht, ich konnte nur noch 1x / Monat zu ihr und das reichte einfach nicht. Sie empfahl mir, dass ich mir einen Therapeuten mit Tiefenpsychologie suchen sollte. Ich war bei allen Terminen ehrlich, erzählte von der Sperre und dass ich jemand neuen suche, dass ich gerne alle zwei Wochen vorbeikommen möchte, weil mir das reicht.

Und jetzt wird es interessant….

-Therapeut 1. Der Therapeut des Mit-Bewohners, jung, unglaublich sympathisch – zu ihm wäre ich gerne gegangen. Ging aber nicht, weil damals die Krise des Mit-Bewohners richtig krass war und er meinte, dass wir uns zu nahe stehen – er möchte da absolut neutral sein, kann das aber nicht, falls einer von uns etwas über den anderen erzählt. Fair enough.

-Therapeut 2. In meiner Nähe, ich bekam schnell einen Termin frei (ein schlechtes Zeichen! Bei Therapeuten UND bei Tätowierern!). Beim ersten Termin bekam ich sämtliche Fragebögen ausgehändigt, füllte sie dort im Wartezimmer aus und sollte in 2 Wochen wiederkommen. Das machte er bestimmt nicht, um das als Beratung abzurechnen…… Zwei Wochen später saß ich vor ihm. Und bekam schon mal die ersten Ratschläge: Auf jeden Fall MUSS ich wieder arbeiten gehen – sonst kann er mich nicht behandeln. Als ich meinte, dass das meine Therapeutin, mein ganzes Umfeld und ich deutlich anders sehen, kam Ratschlag Nr 2. Ich MUSS auf seine Ratschläge hören und keine Diskussionen anfangen, das wäre hier eine Therapie und keine Diskussionsgruppe. Ratschlag Nr 3 kam dann von mir, ich ging. Seine Online-Bewertungen waren alle in die ähnliche Richtung, meine kam dann auch noch dazu *hust*.

-Therapeut 3. Weiter weg (50 min einfache Fahrt). Empfing mich mit den Worten, dass er aktuell keine Einzelplätze vergibt, aber Gruppentherapie macht – sagte er am Telefon nicht, sonst wäre ich gar nicht hin. Hörte sich meine Geschichte an und erklärte mir dann, dass er trotz meiner Tätowierungen und Piercings keine Borderline-Symptome an mir sieht und ich mir überlegen soll, wegen was ich denn in Therapie möchte. Schön, wenn jemand gleich so gut in seinem Fach ist, dass er mich für eine Diagnose nur ansehen muss.

-Therapeutin 4. Ich war einmal bei ihr und merkte schon, dass sie eher ungeduldig ist, mein Bauchgefühl war sofort dagegen. Aber ich probierte es nochmals und ging ein zweites Mal hin. Da knallte sie mir dann den Satz hin, dass sie mich als unglaublich anstrengend empfindet, weil sie mir alles aus der Nase ziehen muss. Schlimm, wenn man beim zweiten Treffen immer noch so zurückhaltend ist.

-Therapeutin 5. Etwas älter, eher sympathisch. Unterrichtete auch Yoga und Tanzen, das fand ich eine schöne Mischung. Sie hörte sich alles an, verstand erstmal nicht, warum ich als Yoga-Lehrerin Spannungskopfschmerzen haben kann. Außerdem wüsste sie nicht, was sie der Krankenkasse schreiben soll über mich und ob ich wüsste, wieviel Arbeit das ist? (Ich bin bisher davon ausgegangen, dass das dazu gehört, ich naives Ding, ich!). Dann schlug sie mir vor, dass ich 1. in ihre Yogastunde kommen kann gegen die Verspannungen. 2. Sollte ich mir doch einfach eine Jahreskarte für die nahegelegene Therme holen, das helfe doch auch. Und 3. verdient mein Partner gut und ich soll mich nicht so anstellen und mich von ihm aushalten lassen. Warum bin ich da nur nicht schon früher darauf gekommen?

-Therapeutin 6. In meinem Alter, sympathisch, offen, verständnisvoll. Bei ihr wäre ich geblieben, allerdings meinte sie, dass sie so viele Anfragen hat. Und dass sie mich um Verständnis bittet, sie hat das Gefühl, dass ich bei meiner anderen Therapeutin besser aufgehoben bin und sie möchte den Platz gerne einem anderen Patienten geben, der wöchentliche Termine braucht. Auch das wieder: Fair enough.

-Therapeut 7. In der Reha. 82 Jahre alt, wirkte noch sehr fit, hatte aber eher….. ältere Ansichten. Bei der Bindung des Kindes sprach er nur von „Mutter-Kind-Bindung“, es gab nur „Hausfrauen“ usw. In der ersten Gruppenstunde sollten wir uns alle vorstellen, ein Mitpatient hielt einen 20-Minuten-Monolog wie „scheiße“ seine Bald-Ex-Frau, sein Ex-Chef und seine Söhne seien. Ich war danach geschockt und sehr schweigsam, ich fühlte mich durch diesen sehr lauten und cholerischen Ausbruch nicht mehr sicher in der Gruppe. Das sagte ich auch dem Oberarzt, der Therapeut selber legte mir das als „Verpasste Chance“ und „Verweigerung zur Therapie“ aus. Meine kleine Rache? Er verstand nicht, dass ich mit meinem Partner zusammen wohne. Stattdessen wohne ich also mit meinem Vater zusammen. Kindisch, aber ich muss jedesmal lachen…

-Der Oberarzt. Ebenfalls auf Reha. Ein gemütlicher Chaot, dem ich mich öffnen konnte, als Einzeltherapeut sehr gut. Er ermunterte mich, lachte mit mir und zeigte sich verständnisvoll. Als Gruppentherapeut war er leider nicht so talentiert, das wurde immer mehr zur Farce. Zwischendurch rutschte ihm ein “Wir sind hier nicht beim Wunschkonzert!“ heraus, aber er hatte die Grösse, sich dafür zu entschuldigen. Ihm verdanke ich meinen Abschlussbericht, dem ich heftig widersprechen und einiges richtig stellen konnte. Sein Abschiedssatz war, dass er sich von mir gerne coachen lassen möchte.

-Kunsttherapeuten 1-3. Ich mag Kunst als Therapie nicht. Gebt mir Holz zum hacken, eine Schaufel für den Garten oder sonst was. Aber lasst mich nicht Mandalas ausmalen oder meine innere Welt aufmalen oder Lebensfreude oder… Vor allem wurden die Bilder danach jedesmal analysiert. „Wofür steht grün für Sie?“ – „In dem Fall für Natur, das ist eine Wiese.“ – „aaaaaaah, verstehe… also ich würde sagen, dass Sie….“ Ich habe das dreimal durchgestanden (1x Tagesklinik, 2x Schmerzambulanz) und habe mich in der Reha nach der ersten Woche geweigert. Das wurde mir zum Glück gestattet. Leider war Kunsttherapeutin Reha mit Therapeut 7 verheiratet. Ein Gespräch über mich habe ich wegen sehr dünner Wände mit bekommen. Ich bin herzzerreißend, weil ich keine Hilfe annehme. Malerhilfe? Nein, danke…

-Psychologe 1 & 2. Zwischendurch musste ich immer wieder zum Psychologen wegen meiner AU (Arbeitsunfähigkeit). Durch meine Diagnosen konnte das meine Hausärztin nicht machen, ohne massive Probleme mit dem Dachverband für Krankenkassen zu bekommen. Die ersten zwei waren in einer Gemeinschaftspraxis. Ich musste jedesmal fast eine Stunde warten (trotz Termin, trotz Corona), als ich mal ein paar Minuten zu spät war, bekam ich einen Anpfiff. Die Psychologen selber waren nett, hörten aber beide dann auf in dieser Praxis.

-Psychologe 3. Ich kam mit meinem Stapel an Arztbriefen an. Er musterte mich kühl, fragte, was ich möchte und erklärte mir dann, dass ich ihm die Briefe mindestens zwei Wochen vorher schicken soll. Jetzt kann er sie nicht durchlesen und ich könnte ihm ja alles erzählen und ob ich wissen würde, wie viele Menschen sich einfach vor der Arbeit drücken möchten? Ich stand auf, meinte sehr ruhig und leise „Ich möchte nicht NICHT arbeiten. Ich KANN nicht arbeiten!“ und ging. Ich knallte nicht mal die Tür zu. Am Tag danach saß ich immer noch zitternd bei meiner Hausärztin, die sich meine Schilderung anhörte und den Namen wissen wollte. Damit sie da nie jemand hinschickt…

-Psychologe 4. Ein junger, engagierter Assistent in einer Klinik. Er war sehr nett und verständnisvoll, wollte mir aber sofort neue Antidepressiva aufschwatzen und einen Aufenthalt in der Klinik. Wollte ich beides nicht, unter anderem wegen meiner Abschlussarbeit und der Yoga-Prüfung. Nahm er nickend zur Kenntnis, füllte die AU aus und wünschte mir lächelnd alles Gute und dass seine Tür gerne für mich offen ist.

Das Ende vom Lied? Ich saß nach diversen Terminen weinend im Auto und kam mir abwechselnd vor wie eine Simulantin, eine Schmarotzerin, eine Irre oder jemand, der nicht therapierbar ist. Für mich war das damals schmerzhaft, jedes Gespräch verlangte eine Öffnung, bei jedem Gespräch wurde ich verletzt. Von Menschen, die es eigentlich besser wissen sollten. Mich hat diese Sperre und diese Gespräche sehr zurück geworfen. Inzwischen bin ich zum Glück wieder bei meiner „alten“ Therapeutin und das tut mir sehr gut. Aber das möchte ich nicht nochmals mit machen müssen…

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